Willkommen in Herrenwies

 
  Rund 50 Ehemalige der 1968 geschlossenen Herrenwieser Volksschule erinnern sich
Acht Klassen, ein Lehrer, ein Raum

Das Gasthaus „Waldesruh“ im Forbacher Teilort Herrenwies platzte an diesem Abend aus allen Nähten. Mehr als 50 ehemalige Schüler/innen der einstigen Herrenwieser Volksschule – acht Klassen, ein Lehrer, ein Schulsaal - waren zum dritten „Schülertreffen“ angereist. Teils von weit her: Helga Dietrich aus dem holländischen Utrecht, Grethel Antonangeli (geborene Falk) aus Rom, Horst Netzel aus der Nähe Berlins. Wären alle ehemaligen Herrenwieser „Volksschüler“ versammelt gewesen, hätte sich die derzeitige Einwohnerzahl von Herrenwies (73 Einwohner) sogar kurzfristig nahezu verdoppelt.

 „Wir freuen uns riesig, dass so viele gekommen sind“, strahlt Hermann Müller angesichts der Resonanz. Im Team mit Hans Fahlsehr, Jürgen Meier und Herbert Brennsteiner hatte er das Schultreffen organisiert und „es ist auch diesmal wieder ein phantastisches, erlebnisreiches, berührendes Ereignis.“ Bewusst wurde das Tagesprogramm auf „heimischem Gelände“ anberaumt, um an vertrauten Orten und auf bekannten Pfaden Erinnerungen an Kindheit und Jugend wieder aufleben zu lassen.
 
 Für das Abendessen in der „Waldesruh“ war Herbert Brennsteiner zuständig, Jahrgang 1962 wie Barbara Mankin (geborene Perras), die Nesthäkchen im Kreis der Ehemaligen. Zu fünft seien sie bei der Einschulung gewesen und insgesamt 10 Schüler auf die verbliebenen vier Grundschulklassen verteilt. Denn die Klassen fünf bis acht waren bereits 1967 nach Bühlertal/Obertal ausgelagert worden. Ein halbes Jahr später, im Jahr 1968,  wurde die Volksschule Herrenwies endgültig geschlossen. '

 

Ein (DVD-)TV-Bericht der Landesschau Baden-Württemberg im Januar ´69 beleuchtete die Situation nebst vergeblichem Protest einiger Eltern. Für Heiterkeit sorgten weitere historische Schmankerl: ein Diavortrag von Erich Müllers Postkartensammlung mit heimischen Motiven sowie Gerhard Hammers Schwarz-Weiß-Stummfilm aus den 30er Jahren über die Anfänge des Skisports in Herrenwies und an der Schwarzwaldhochstraße. Später am Abend verstand sich für einige der „Jüngeren“ ein Abstecher in die Musikkneipe „Turning Point“ im alten Schulhaus von selbst.

 Einmal geweckt, fanden die Erinnerungen an damalige Zeiten ihren lebendigen Niederschlag an den dicht besetzten Tischen: „Weisch noch…?“ Viel zu erzählen hat Eleonore „Ella“ Heuschober (stolze 90), die älteste Herrenwieser Ex-Schülerin, dicht gefolgt von Maria Koch (geborene Meier, 86) und Gertrud Bischoff (geborene Schoch, 85). Von der zusätzlichen dreistündigen „Fortbildungsschule“ für die Älteren einmal pro Woche am Nachmittag. Vom Pfarrer (Stuber), „ein grober Dinger, da mussten alle mucksmäuslestill sein.“

 Von den Meiers waren gleich drei Generationen vertreten: In Vater Roberts (83) Schulzeit unter dem „scho a bissel arg ruppige“ Lehrer Dufner belief sich die Gesamtschülerzahl zeitweise auf gerade mal 30. Vormittags wurden die Klassen vier bis acht unterrichtet, nachmittags Klasse eins bis drei, komplette Klassen jeweils an 4er- oder 5er-Tischen. Zucht und Ordnung herrschten auch bei Lehrer Fritz, den Sohn Jürgen (52) ab 1962 mit 6 weiteren Schulanfängern „genoss“. Bruder Bernd Meier (Jahrgang 1950) und Hermann Müller (Jahrgang ´51) waren jeweils die einzigen in ihrer Klasse und wurden daher zusammen unterrichtet. „Anstrengend“ sei die acht Jahre währende Zwei-Schüler-Klasse gewesen, „andererseits haben wir viel von den Großen mitbekommen.“

 Die Schulkinder kamen nicht nur aus dem Ort, sondern aus dem gesamten Einzugsgebiet: vom Ochsenstall, Unterstmatt, Hundseck, Sand, Plättig, Unterplättig, Kohlbergwies, Seebachhof und dem Erholungsheim „Haus Nickersberg“. Bei Wind und Wetter, zu Fuß, im Winter auf Skiern - „da war es morgens noch kuhnacht (stockfinster)“ – machten sie sich auf den zirka sechs Kilometer langen Schulweg: die vier Falk-Kinder Hubert, Bärbel, Ursel und Grethel vom Unterplättig,  wie zuvor schon ihr Vater Wilhelm und davor der Großvater. Ebenso die Försterkinder Axel, Helga und Waldtraud Dietrich, wobei Axel mit seinem grünen Fahrrad, einem Kommunion-Geschenk, „deutlich im Vorteil war.“ Das galt erst recht für Erich, Hermann, Rainer und Carola, die „Müller-Kinder am Bach“ – „die sind quasi vom Bett in den Schulsaal gefallen!“

 In ihrer Erinnerung ist einiges haften geblieben: der Schleifstein auf der Treppe im Schulhaus zum Anspitzen der „Griffel“. Nur vier Wochen Sommerferien, dafür aber vier Wochen Ernteferien im Herbst. Der jährliche „Weltspartag“, an dem ein Bankangestellter aus Forbach im „Lehrsaal 1“ (großer Schulsaal) den „Sparkässel“-Inhalt jedes Schülers verbuchte. Die Bundesjugendwettspiele auf der Wiese hinter dem Schulhaus – „unsere Kampfbahn am Bach.“ Und überhaupt: Acht Klassen mit einem Lehrer in einem Zimmer - „Wer hat das schon erlebt?!“

 

 
  Text: Haller-Reif; Bilder Merz/Müller/Haller-Reif